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Erfahrungen sammeln und auf sich selbst hören

Ehemaligen-Interview mit Viola Schumann

Viola Schumann war von 2006 – 2009 als Auszubildende der Firma Kähl Schülerin in Hennef. Wir haben sie im Dezember 2024, 15 Jahre nach ihrem Abschluss zur Tischlergesellin bei der Tischlerinnung Bonn-Rhein-Sieg um ein Interview für unsere Schulseite gebeten.

Ihr Abschluss im Sommer 2009 erfolgte als Tischlergesellin mit der Vollendung des Gesellenstücks, eines geschwungenen Sideboards. Es wurde von der Innung ausgezeichnet, ein Bericht darüber erfolgte in der BM, Fachzeitschrift für Schreiner.

Frau Schumann, bitte stellen Sie uns die schulische und berufliche Ausbildung und Ihren persönlichen Werdegang kurz vor.

Nach dem Abitur im Sommer 2006 am Albert-Einstein-Gymnasium in Sankt Augustin habe ich eine dreijährige Ausbildung bei der Schreinerei Kähl in Lohmar absolviert (2006 – 2009).

Dort führte ich nach der Gesellenprüfung meine Tätigkeit als Tischlerin kurze Zeit fort, bis ich zur Restaurierungswerkstatt Beer wechselte. Zu dieser Zeit wollte ich mich auch beruflich verändern und spielte mit dem Gedanken, ein Studium der Restaurierung an der Fachhochschule Köln zu beginnen. Bei meiner Arbeit in der Restaurierungswerkstatt stellte ich aber nach kurzer Zeit fest, dass ich in diesem Bereich meine berufliche Perspektive nicht sehe. So entschied ich mich anschließend, die Meisterschule in Köln zu besuchen, die ich Ende 2012 mit dem Abschluss zur Tischlermeisterin beendete.

Im Anschluss übte ich eine kurze Zeit die Tätigkeit als Gesellin in einem Schreinerbetrieb im Bergischen Land aus. Danach begann ich im September 2013 meine Arbeit als Tischlermeisterin bei der Firma Julius Möbel in Overath, bei der ich bis heute tätig bin. Dort arbeitete ich zuerst zwei Jahre in der Produktion in der Werkstatt und danach in der Projektleitung im Büro. Meine Tätigkeiten im Büro umfassen z.B. Aufmaß beim Kunden machen, Kundengespräche und Beratung durchführen und die Arbeitsvorbereitung koordinieren. 

Im Jahr 2021 wurde mir die Verantwortung als Prokuristin der Firma übertragen.

Welchen Stellenwert hat die Ausbildung zur Tischlerin an unserer Schule rückblickend für Ihre Karriere?

Ich habe dort grundlegende Kenntnisse in Verbindung mit der betrieblichen Ausbildung zur Ausübung des Berufs erhalten. Ich halte nach wie vor die Verknüpfung von theoretischen und praktischen Grundkenntnissen für sehr wichtig und finde gut, dass die Ausbildung im dualen System stattfindet. Außerdem werden die Fachkenntnisse, die vom Ausbildungsbetrieb nicht vermittelt werden können, durch die Schule sinnvoll ergänzt, da im Berufsfeld des Tischlers immer auch eine gewisse Spezialisierung wie z.B. im Fensterbau stattfindet.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag heute für Sie aus?

Mein Arbeitsbeginn ist um 6.00 Uhr in meinem Büro, dann gestaltet sich mein Tag wie folgt: Angebote schreiben und prüfen, Materialeinkauf durchführen, Mitarbeiterführung organisieren und alle geschäftlichen Belange als rechte Hand der Geschäftsleitung ausüben. Mein Schwerpunkt in der Tätigkeit bei Julius Möbel hat sich im Laufe der Jahre Stück für Stück verändert, dadurch dass sich der Betrieb in personaler Hinsicht nach und nach deutlich vergrößert hat.

Sie engagieren sich ehrenamtlich im Prüfungsausschuss, was hat Sie dazu bewegt dieses Amt anzunehmen und welche Aufgaben übernehmen Sie dort?

Ich bin bei einer Gesellenstückausstellung in Siegburg im Stadtmuseum direkt vom Prüfungsausschuss angesprochen worden, ob ich nicht die ehrenamtliche Tätigkeit bei der Kreishandwerkerschaft aufnehmen möchte. Meine Tätigkeiten umfassen als Prüferin die Abnahme der Zeichnungen zu den Gesellenstücken bis hin zur Aufsichtsführung und Unterstützung bei der praktischen Prüfung und der Benotung der Gesellenstücke.

Wie reagieren Kundinnen und Kunden, wenn Sie als Meisterin in einem immer noch von Männern dominierten Bereich des Handwerks beraten bzw. Tischlereiarbeiten ausführen.

Es gibt und gab unterschiedliche Situationen bzw. Reaktionen z.B. auf Baustellen, die aber für mich heute nicht mehr von Bedeutung sind. Bei uns im Betrieb spielt das Geschlecht keine Rolle, bei der Einstellung der Azubis achten wir auf die Qualifikationen und Fähigkeiten.

Welchen Ratschlag würden Sie jetzigen Schülerinnen und Schülern des Carl-Reuther-Berufskollegs für ihre berufliche Zukunft ans Herz legen?

Das Handwerk ist nach wie vor ein attraktiver Beruf mit vielen Perspektiven. Ich würde immer wieder empfehlen, einen Handwerksberuf zu erlernen und wenn man sich dafür entschieden hat, sollte man den beruflichen Weg auch konsequent verfolgen und sich durch Schwierigkeiten nicht entmutigen lassen. Schule und Betrieb können nicht alles vermitteln, man sollte die Bereitschaft mitbringen, sich berufliche Dinge selbst anzueignen und sich weiter zu qualifizieren. Und generell gilt: Wenn man einen Weg einschlägt, dann sollte man Erfahrungen sammeln, lernen und auf sich hören.

Frau Schumann, herzlichen Dank für dieses Gespräch und alles Gute für die Zukunft, beruflich und privat.