Alte Heimat, neue Heimat – SchülerInnen berichten (VI)

Von Eva Zoske-Dernóczi
Kieran Lyle Castelino besuchte unser Berufskolleg, weil er eine Ausbildung zum Mechatroniker bei Boge Elastmetall GmBH in Bonn durchlief. Er hat schon in so vielen Ländern gelebt, dass die Frage nach einer Heimat für ihn sehr schwer zu beantworten ist. Er wurde 2001 in Edinburgh, Schottland geboren, wo sein kenianischer Vater und seine deutsche Mutter einige Monate studierten, aber nicht lange blieben, sodass er sich an diese Zeit gar nicht erinnern kann. Sie haben in der Entwicklungszusammenarbeit in Kenia gearbeitet und gelebt, danach ab 2012 in Äthiopien. Kierans Mutter arbeitete lange als Tierärztin bei der „Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH“, die die ländliche Regionalentwicklung in vielen Ländern fördert, später bei den „Tierärzten ohne Grenzen – Suisse“. Sein Vater war regionaler Direktor für die „SOS Kinderdörfer“ in Kenia, daher viel in Ost-Afrika unterwegs.
Erst in Kenia – dann in Äthiopien
Kierans Kindheit in Kenia und seine Jugendzeit in Äthiopien haben ihn und seinen jüngeren Bruder sehr geprägt, er berichtet lachend: „Ich habe in Addis Abeba der Hauptstadt Äthiopiens, auf ca. 2400 m. Höhe über dem Meeresspiegel im Hochland gelebt, welches die fünfthöchste Hauptstadt der Welt ist, aber die Zeit in den Sommerferien in einem kleinen Ort namens Aurich in Ostfriesland auch immer sehr genossen“, denn dort besuchte er regelmäßig seine Großeltern in Deutschland und resümiert daher: „Heimat ist da, wo ich mich wohlfühle, wo Menschen sind, die mich mögen. Es gibt drei Orte, mit denen ich besonders schöne Erinnerungen verbinde, die ich also als Heimat bezeichnen würde: Aurich in Ostfriesland, dann eine kleine Insel namens Lamu in Kenia, weil ich dort jedes Jahr die Weihnachtzeit verbrachte, da sich meine Eltern dort kennengelernt hatten und Bonn, weil Bonn mittlerweile auch meine Heimat geworden ist. Die Mentalität der Menschen hier im Rheinland gefällt mir, sie sind lässig und weltoffen.“ Seine Erlebnisse in Ostfriesland waren stets gute, allerdings gab es in dem kleinen Ort Aurich nicht viele Menschen mit Migrationshintergrund, sodass er aufgrund seiner Hautfarbe leider auch komische Blicke oder Bemerkungen erntete. „Manchmal habe ich mich dann doch unwohl gefühlt, weil alle anderen weiß waren, ich also optisch überall herausstach.“ Das war auch einer der Gründe, warum sich Kierans Eltern 2015, bei ihrer Rückkehr nach Deutschland, dazu entschieden hatten nach Bonn zu ziehen. „Meine Eltern wollten lieber in eine mittelgroße Stadt ziehen, trotz unserer Verwandten und Freunde in Norddeutschland, aber auch, weil wir hier in Bonn und Köln gute Freunde hatten und es gute Arbeitsmöglichkeiten gab.“
Immer etwas fremd geblieben: ob in Kenia, Äthiopien oder Deutschland
Das Gefühl nie so ganz dazuzugehören, immer ein bisschen fremd zu bleiben, ist aber eines, an das sich Kieran gewöhnt hat. Denn überall war und blieb er letztlich ein wenig fremd: „In Kenia war ich nicht schwarz genug, in Deutschland bin ich nicht weiß genug.“ Selbst sein kenianischer Vater gehörte ethnisch zu einer Minderheit, den Goanern, weil seine Vorfahren aus Indien nach Kenia eingewandert waren. Kieran und sein jüngerer Bruder, der in Nairobi geboren wurde, besuchten deutsche Schulen, in die auch die Kinder von anderen Entwicklungshelfern, aber auch von Botschaftern, Spitzensportlern oder Diplomaten gingen. Das Leben in Kenia war ein sehr behütetes, allerdings auch bedingt dadurch, dass die Angst bestand, dass man als Kind entführt werden könnte. Sie hatten immer Fahrer, Hausangestellte und Gärtner, die sie abholten, nach ihnen Ausschau hielten, um die Gefahr zu bannen. Der Umzug 2012 nach Äthiopien war insofern ein großer Umbruch in Kierans Leben, weil es auf einmal so ganz anders war als in Kenia. Das harte Regime hatte seine Spuren hinterlassen, die Bevölkerung war arm und unterdrückt und mit den Sprachen, die Kieran in Kenia gelernt hatte, kam er nicht weit: „In Kenia lernte ich Englisch und ein wenig Suaheli. In Äthiopien sprach aber kaum jemand Englisch, dort sprachen alle nur Amharisch, was ich aber nicht konnte und daher eher mit Gestik und Mimik kommunizieren musste“. Sein Bruder ging dort erneut auf die deutsche Schule, Kieran besuchte aber die englische „International Community School“, weil sie mehr Schüler in seinem Alter hatte. Die Familiensprache war und ist bis heute Englisch. Kierans Familie war fast drei Jahre in Äthiopien: „Dort wegzuziehen war ein Schock. Denn mit 11 Jahren aus Kenia wegzugehen, war anders, als mitten in der Pubertät mit 14 Jahren noch einmal alles neu beginnen zu müssen. Ich hatte Freunde in Äthiopien und genau dann, als ich innerlich angekommen war, zogen wir wieder weg.“ Durch die deutschen Schulen hatten er und sein Bruder ein gutes Niveau in Deutsch behalten und dadurch zumindest keine Sprachbarrieren.
Neustart in Deutschland, berufliche Wünsche und Fernweh
Eine einschneidende Begebenheit hatte ihm 2015 den Start in Deutschland erleichtert. Gerade als er mit seiner Mutter auf der Suche nach einer passenden Schule in Bonn war, traf er per Zufall einen Freund in der U-Bahn, den er noch aus seiner Zeit in Kenia kannte und der auch mit seinen Eltern wieder nach Deutschland zurückgekommen war. Sie freundeten sich wieder an, spielten dann zusammen im Fußballverein und so konnte der Start in Deutschland doch gut gelingen: „Sport war sowieso immer ein guter Ort, um schnell andere Menschen – egal in welchem Land – kennen zu lernen.“, resümiert er und kann sich vorstellen, vielleicht doch noch einmal in einem anderen Land zu leben. „Kenia könnte das Land sein, wo ich vielleicht doch noch einmal leben möchte, weil ich mich dort sehr wohl gefühlt habe. Sicherlich würde ich nicht mehr in Nairobi leben wollen, weil das eine sehr hektische und laute Großstadt ist, aber in einer ruhigeren, naturverbundeneren Ecke, wie z.B. Lamu, war es wunderschön. Dort gibt es nur ein einziges Auto, und zwar die Ambulanz, ansonsten nur Esel, auf denen man alle Wege beschreitet“, schwärmt er.

