Alte Heimat, neue Heimat – SchülerInnen berichten (III)
Am Carl-Reuther-Berufskolleg in Hennef treffe ich täglich viele Schülerinnen und Schüler mit interessanten Biografien, die aus unterschiedlichen Ländern zu uns gekommen sind. Sie leben alle an anderen Orten, besuchen verschiedene Bildungsgänge und Schulbereiche. Jedoch eint sie ihre Motivation, die deutsche Sprache zu erlernen, berufliche Wünsche zu verwirklichen und hier ein neues Zuhause zu finden. Von Eva Zoske-Dernóczi
Ernest kam aus Spanien nach Deutschland
Der neunzehnjährige Ernest Galobart kam vor neun Jahren mit seinen Eltern aus Spanien (Mallorca) nach Deutschland und besuchte unseren zweijährigen Bildungsgang der Höheren Berufsfachschule Ingenieurtechnik. „Heimat ist ja eigentlich der Ort, wo man aufgewachsen ist. Für mich ist Deutschland eher meine Heimat, nicht Spanien, weil ich nur bis zu meinem 10. Lebensjahr dort gelebt habe“, so Ernest. Seine Eltern fällten die Entscheidung, nach Deutschland einzuwandern, weil sein Onkel bereits hier in der Region wohnte. Die Familiensprache ist Spanisch, allerdings spricht Ernest mittlerweile so gut Deutsch, dass man gar nicht auf die Idee kommt, dass er seine gesamte Kindheit in Spanien verbracht hat.
Mallorca ist zwar ein schönes Urlaubsland – aber dort Arbeit zu finden ist nicht einfach
Durch eine Wirtschaftskrise in Spanien, vor etwa zehn Jahren, war es dort sehr schwer geworden Arbeit zu finden, daher hatte sich sein Onkel hier ein neues Leben aufgebaut: „Er arbeitet heute als Koch in einem Restaurant in Bonn und ist froh, diesen Schritt gemacht zu haben. Ich bin mit meinen Eltern nach Deutschland gekommen. Meine älteren Halbgeschwister leben nach wie vor in Barcelona“. Er beschreibt die Entscheidung seiner Eltern wie folgt: „Natürlich mögen meine Eltern Spanien. Aber die Wirtschaft ist sehr tourismusabhängig, wir hatten ein Restaurant. Im Winter gab es zu wenig Touristen, sodass wir unser Restaurant schließen mussten.“ Die Großeltern von Ernest hatten einige Jahre in Deutschland gelebt, sind aber wieder nach Spanien zurück gegangen, daher sprach seine Mutter bereits Deutsch, weil sie ihre Kindheit hier verbracht hatte: „Mein Vater und ich mussten aber Deutsch lernen.“ Ernests Mutter arbeitet als Fleischereifachverkäuferin und sein Vater als Produktionshilfe. Trotz großer Sprachprobleme seines Vaters sind seine Eltern zufrieden und froh, nach Deutschland gekommen zu sein und möchten hierbleiben. Sie fahren als Familie regelmäßig nach Spanien, weil die meisten Verwandten immer noch dort leben, aber mittlerweile haben sie viele deutsche Freunde und fühlen sich wohl.
Mobbing ist leider eine weltweite Seuche wie die Pandemie
Leider gibt und gab es in Ernests Leben einige Dinge, die sowohl in Spanien als auch in Deutschland belastend waren, da man in allen Ländern Diskriminierungen erleben kann und Mobbing wie die Pandemie eine weltweite Seuche ist. Ernest erlebte aufgrund seines Körpergewichtes sowohl in Spanien als auch in Deutschland Mobbing. Weil er immer schon recht groß war und mehr wog als viele andere, erntete er bereits als Kind unangenehme Sprüche und Blicke. Es war für ihn anfangs deshalb schwer aus Spanien wegzugehen, „weil ich nach zwei Jahren Mobbing endlich gute Freunde gefunden hatte und mich endlich wohlfühlte. Auch vermisste ich anfangs hier die spanische Mentalität. Weil das Leben dort so ganz anders ist. Da ist es normal, nach dem Essen noch lange sitzen zu bleiben, miteinander noch lange zu sprechen, vor allem weil das Wetter ja viel wärmer ist. Die Energie der Menschen ist eine andere, auch wenn man das nicht pauschalisieren darf. Aber es liegt auch am Klima, dem Meer und anderen Dingen, dass die Menschen dort eben anders sind. In Spanien sind die Menschen eher fröhlich, temperamentvoll, sicher auch etwas herzlicher.“ Das Mobbing begann dann leider erneut in Deutschland, als er hier in die Schule kam. Auch stellte er fest, dass Deutsche insgesamt etwas reservierter sind und man sich nicht so schnell kennenlernt: „Es dauert etwas länger, bis man hier Freunde findet, aber dafür sind die Freundschaften dann auch nicht so oberflächlich. Meinen jetzigen besten Freund kenne ich seit der 6. Klasse und das ist wirklich eine super Freundschaft, die Bestand hat. Nun habe ich aber auch hier in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis endlich gute Freunde gefunden, daher fühle ich mich nun endlich wohl.“