Alte Heimat, neue Heimat – SchülerInnen berichten (VIII)
von Eva Zoske-Dernóczi
Alireza besuchte von 2024 bis 2025 unser Berufskolleg und hat seinen Hauptschulabschluss erfolgreich bei uns absolviert. Nun hat er eine Ausbildung als KFZ-Mechatroniker in Waldbröl begonnen, worüber er sehr glücklich ist.
Afghanistan – Iran – Deutschland
Seine Familie lebte im Iran, seine Eltern flohen 2019 mit ihm nach Europa. Erst waren sie für zweieinhalb Jahre in Griechenland. Der 22-Jährige kam im April 2022 nach Deutschland. Heute lebt seine große Familie völlig verstreut. Da zwei seiner Schwestern schon in Deutschland lebten, kamen er mit seinen Eltern hierhin. Von den insgesamt sechs Geschwistern lebt eine noch im Iran, eine in Österreich, ein Bruder in Irland. Die Familiensprache ist Farsi. „Ich bin traurig, weil wir uns alle sehr gut verstehen, aber eben sehr verstreut leben.“ Ursprünglich kommt seine Familie aus Afghanistan, aber er hat das Heimatland seiner Eltern nie kennengelernt, seine Geschwister auch nicht. Daher ist Iran eigentlich seine Heimat, aber auch diese Bezeichnung „Heimat“ ist für ihn problematisch. Denn im Iran erlebte er viele Ausgrenzungen und Diskriminierungen. Er sagt: „Manche Menschen sind auch dort Rassisten. Zum Beispiel haben mich Menschen auf der Straße angesprochen, weil ich nicht iranisch aussehe und fragten, ob ich meine Papiere dabeihabe. In der Schule hat mir eine Schulleiterin gesagt, dass ich nicht auf eine weiterführende Schule gehen könne, obwohl meine Noten sehr gut waren, einfach, weil ich kein Iraner bin.“
Im Iran ein Ausländer – hier auch?
Alireza galt im Iran als Ausländer, obwohl er noch nie in Afghanistan war und nicht einmal weiß, wie die Menschen dort leben. Er ist aber sicher, hier in Deutschland nun eine neue Heimat gefunden zu haben und stellt fest: „Hier in Deutschland kommunizieren Menschen anfangs erst einmal vorsichtiger mit Fremden als im Iran. Iraner sind erst einmal gastfreundlicher und neugieriger. Hier in Deutschland brauchen die Menschen mehr Zeit, um Dich kennenzulernen, aber wenn sie Dich kennengelernt haben, dann kann daraus es eine tiefe Freundschaft werden.“ Auch gefällt Alireza, dass alle Menschen hier die gleichen Rechte und Pflichten haben. Das war im Iran anders. „Ob bei der Polizei oder beim Arzt: dort brauchte man viel Macht oder Geld, um zu seinem Recht zu kommen, hier sind alle gleich und werden gleichbehandelt.“ Die Anfangszeit in Deutschland war hart, all die Behördengänge, die neue Sprache, dann ein rassistischer Vorfall in Köln, der ihn nachhaltig geprägt hat. Man hatte die Familie behandelt, als wären sie Verbrecher. „Immer wenn ich in Köln bin, kommt das Erlebnis hoch.“
Freiwillige Feuerwehr Waldbröl
Vieles lief aber auch sehr gut, viele Menschen haben ihm und seiner Familie geholfen, auch Lehrkräfte unserer Schule. Besonders gut gefällt ihm, dass er seit eineinhalb Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr in Waldbröl aktiv ist. „Ich war immer schon fasziniert von der Feuerwehr. Als ich dort anfing, war auch ein anderes syrisches Mädchen, die mir schrieb und mir Mut machte, mal vorbeizukommen. Anfangs waren alle skeptisch, warum ich dort sein will. Sie waren unsicher, ob ich es ernst meinte, da ich schlecht Deutsch sprach.“ Aber es gelangt Alireza alle zu überzeugen, weil er ihnen zeigte, dass er unbedingt dabei sein will. „Heute fahre ich immer gerne hin, mache meine Modulausbildung und danach habe ich alle Grundkenntnisse eines Feuerwehrmanns erlernt. Danach darf ich bei Einsätzen mehr mitmachen und aktiver helfen.“ Alireza ist dankbar, ist gerne dabei und er sagt: „Außerdem möchte ich auch etwas Gutes für das Land tun, was nun meine Heimat geworden ist.“ Seine Freunde kommen aus Deutschland, Russland, Afghanistan, Iran, Polen. Er sagt: „Viele Kulturen sind eine große Bereicherung, ich lerne viel durch die Gespräche und das Zusammensein.“ Wir freuen uns, dass er hier bei uns am Berufskolleg gute Perspektiven für die Zukunft erhalten hat und wir ihn ein Stückchen begleiten konnten.



